36 Jahre Goldenberg

Ein Urgestein geht in Pension

Hürth. Am Freitag, 31. Januar, ertönt am Goldenberg Europakolleg zum letzten Mal die Schulglocke für Wolfgang Lübke. Nach 36 Jahren geht der Lehrer für Elektrotechnik dann in den wohlverdienten Ruhestand – mit 65 ½ Jahren.

Am 4. September 1978 fand er an der Hürther Berufsschule, dem heutigen Goldenberg Europakolleg, eine neue Anstellung. Im Zuge der neuen Werkstätten-Verordnung an Berufsschulen, die mehr Praxis in den Unterricht integrieren sollte, suchte die Bezirksregierung Köln Handwerksmeister und landete mit Elektromeister Wolfgang „Wolle“ Lübke einen echten Glücksgriff.

Neben seinen fachlichen und pädagogischen Aufgaben zeichnete den gebürtigen Uelzener sein soziales Engagement aus. So engagierte sich Wolfgang Lübke nach Dienstschluss ehrenamtlich für benachteiligte Schüler, indem er Arbeitsgemeinschaften organisierte und durchführte. Dieses Engagement führte schließlich zur Gründung des Fördervereins für Bildung und Jugendarbeit, den er zusammen mit einigen Kollegen ins Leben rief. Damit traten sie der wachsenden Jugendarbeitslosigkeit der frühen 80er Jahre entgegen. Der Förderverein bot den Jugendlichen nachmittags Aktivitäten unterschiedlicher Art. Schwerpunkt war der Bau von Kanus, der im Laufe der Jahre perfektioniert wurde. Hier trainierten die jungen Leute Fähigkeiten wie handwerkliches Geschick und Sozialkompetenz. „Und sie lungerten nicht auf der Straße rum“, fügt Lübke hinzu. Durch die Nähe der Schule zum Otto-Maigler-See gab es häufig Gelegenheit, die Kanus zu benutzen. Allerdings – das erste Boot kam nicht weit. In ihm ging der spätere Schulleiter des Berufskollegs, Rolf Haschke, noch in Stegnähe baden.

Wolfgang Lübke (links) bei der Kanu-AG

Auch im Bereich der kollegialen Weiterbildung engagierte sich Wolfgang Lübke. So packte er häufig den Fördervereinsbus voll mit Harz, Kunststoff und Werkzeug und fuhr zu Schulen bis ins Ruhrgebiet, um dort die Kunst der Kanueigenherstellung  weiterzugeben. „Kanubau ist eine tolle Gelegenheit für Lehrer, Jugendliche mit handwerklichen Aktivitäten zu motivieren und zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen.“

Wolfgang Lübke arbeitet an einem Kanu

Schnell merkte Lübke, wie wichtig ein Netzwerk im Bereich der Jugendarbeit ist und suchte externe Partner. Dazu gehörten das Jugendamt in Bergheim und – das Amtsgericht in Brühl. Verhängte Geldauflagen für jugendliche Dummheiten flossen teilweise indirekt zu den Personen zurück, die sie verursacht hatten. Damit erhielt die Jugendarbeit an der Schule dringend benötigte Mittel. Im Gegenzug betreute Lübke nachmittags junge Männer, die straffällig geworden waren und half bei der Resozialisierung.

Nachdem der Bootsbau aufgrund des Umzuges der Werkstätten von Knapsack in einen Neubau nach Alt-Hürth nicht mehr möglich war, entwickelte Wolfgang Lübke ein neues Steckenpferd für sich: das Kochen. Im Berufsgrundschuljahr für Farb- und Raumgestaltung versuchte er, die Schülerinnen und Schüler dafür zu begeistern. Diese Koch-AGs waren aber keine Einbahnstraße, sondern entwickelten sich wegen der multikulturellen Herkunft der Teilnehmer zu einem fruchtbaren Wechselspiel. Er erinnert sich an lustige Szenen: „Manchmal hatte ein Schüler den Kochlöffel in der einen Hand und das Handy in der anderen, um sich bei der Mutter letzte Tipps zu holen. Eine Schülerin ging auf Nummer sicher und brachte ihre Mutter direkt mit zum Kochkurs, eine schöne Erfahrung.“ Finanziert hat sich die Koch-AG selbst. „Wenn das Geld für Lebensmittel ausging, haben wir in der Pause Crêpes verkauft. Die kamen immer gut an.“

Ein ehemaliger Schüler aus seiner Anfangszeit kann sich noch gut an den engagierten Lehrer erinnern. Heinz Bowitz (52), heute Serviceleiter und Personalverantwortlicher beim Autohaus Bautz & Klinkhammer in Hürth, besuchte 1979 das sogenannte Berufsvorbereitungsjahr, um anschließend eine Ausbildung zum KFZ-Elektriker zu absolvieren und schließlich die Meisterprüfung abzulegen: „Herr Lübke war und ist bis heute für mich ein Vorbild im Umgang mit Jugendlichen. Respekt und Würde gepaart mit gesundem Durchsetzungsvermögen ermöglichten ihm in meinen Augen, sein Wissen mit Erfolg zu vermitteln.“

Heute ist Heinz Bowitz Ausbildungsleiter in bei Bautz & Klinkhammer. Er investiert gerne in Ausbildung und nimmt jedes Jahr an der Hürther Ausbildungsplatzbörse teil. Dort stehen er und seine Mitarbeiter jungen Leuten, die sich für eine Ausbildung in dem renommierten Autohaus interessieren, Rede und Antwort: „Die Jugendlichen von heute sind unsere Zukunft von morgen. Und wenn wir heute diese Menschen sich selber überlassen, wird sich das morgen rächen.“

Wie geht es nun mit Wolfgang Lübke weiter? Pläne hat er viele: „Mit 66 geht’s doch erst richtig los.“ Zunächst nach Marokko. Dorthin führt es ihn und seine Lebensgefährtin im Wohnmobil – und das „zum ersten Mal außerhalb der Saison“.

Seine beiden Enkel (elf und sechs) werden ihn auf Trab halten. Hier steht Schwimmunterricht auf der didaktischen Jahresplanung. Die Schule wird ihn nicht loslassen und er freut sich, weiterhin zu den jährlichen Sommer- und Weihnachtsfeiern zu kommen: „Mich interessiert weiterhin, wie es mit dem Goldenberg weitergeht. Warum soll das auf einmal aufhören? Ich hatte doch eine tolle Zeit dort.“  (MÜN)